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Bericht über ASPECTE 2016

Dozentenkonzert beim Festival "Klang im Kloster" im Karmeliterkloster Frankfurt© ALLEGRA

Auf der Suche nach der wahren Schönheit
Bericht vom Meisterkurs für Alte Musik auf Schloss Kapfenburg

In der Mitte des Raums steht ein Cembalo. Es ist rot, Rennwagen-rot. Auf den ersten Blick könnte man es vielleicht kitschig nennen - zumindest ist das mein erster Gedanke, als ich es Sonntagnachmittag zum ersten Mal sehe. Denn zur knalligen Farbe kommen noch viele goldene Verzierungen, die ein üppiges Bild ergeben.
Die Beschäftigung mit solchen und anderen Ornamenten zieht sich durch die gesamte Kurswoche. Denn das Thema des Meisterkurses für Alte Musik vom 21. bis 27.08.2016 auf Schloss Kapfenburg lautet dieses Jahr „Ornamentik... zur Geschichte des Schönen..." Seit 1987 veranstaltet die Gruppe ASPECTE unter der Leitung von Prof. Matthias Weilenmann Fortbildungskurse, die sich nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch dem jeweiligen Thema nähern. Daher sind auch nicht nur Studierende oder Lehrende eines historischen Instruments zu diesem Kurs eingeladen. Er richtet sich an alle, die sich praktisch und theoretisch mit der Musik von 1550 bis 1750 auseinandersetzen wollen und nicht nur ein Barockinstrument gut beherrschen, sondern auch am Barocktanz teilnehmen wollen. Die Vielfalt des Programms bringt in diesem Jahr eine bunte Mischung von 20 Teilnehmern und Teilnehmerinnen zusammen und genau das macht den Kurs so reizvoll.
© ALLEGRADie Referate und Diskussionsrunden der verschiedenen Dozierenden (Barockvioline, Blockflöte, Cembalo und Barocktanz) zu historischen Spielanweisungen und Instrumenten oder philosophischen Texten der Zeit bis hin zur allgemeinen Frage nach Kriterien für Kunst und Schönheit sind reich an Informationen und praktischen Anregungen. Intensiviert wird diese Erfahrung durch den Einzel- und Kammermusikunterricht, den alle Teilnehmenden erhalten. So können wir die barocken Verzierungen an einzelnen Stücken selbst ausprobieren. Daneben arbeiten wir natürlich auch am Ausdruck, an der Phrasierung und an technischen Problemen. Der Unterricht ist so reich an Anregungen, dass ich nach jeder Stunde gleich ins nächste leere Zimmer eile, um die Stunde nachzubereiten. In Ensembles, zu denen wir uns im Lauf der Woche zusammen finden, treffen dann die Vorstellungen beim gemeinsamen Üben und im Kammermusikunterricht aufeinander. Es zeigt sich: Eindeutig nach Regelwerk zu spielen funktioniert auch in der Alten Musik selten. Die historischen Anweisungen driften zum Teil weit auseinander und über all dem gilt, was Prof. Weilenmann uns schon am ersten Abend mit auf den Weg gibt: „...es gibt nichts Schöneres als den Gleichklang eines ganzen Lebens in all seinen Handlungen; ihn kannst du aber nicht bewahren, wenn du die Wesensart andrer nachahmst und darüber die deine verlierst." (Michel de Montaigne)
Toll ist es, dass jeder in den Stunden der anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen hospitieren kann. Spannend ist beispielsweise der Generalbassunterricht bei Prof. Jesper Christensen. „Echter Barock ist einfach... schwer", sagt der Dozent und meint dabei nicht, dass Barockmusik im Gegensatz zu anderen Epochen besonders schwer zu spielen sei. Es geht um den Ausdruck, den die Cembalistin für dieses Stück braucht. Nach eineinhalb Stunden Unterricht, bei dem der Generalbass des Beginns eines Stücks besprochen wurde, stellt Prof. Christensen fest: „Ich denke, das könnt ihr auch alle - ihr müsst euch nur anstrengen. Man ist es nicht gewohnt, dass man sich so sehr anstrengen muss für vier Töne, die so einfach ausschauen."
© ALLEGRANach dieser Knobelaufgabe sind dann die Tanzstunden ein willkommener Ausgleich. Ein in den Weg nach oben zur Musikakademie eingelassenes Zitat von Johann Sebastian Bach fordert „schwingt freudig euch empor" - und genau das tun wir jeden Morgen. Wir lernen Tänze der Renaissance und des Barock wie die „Bassa danza", die „Gaillarde" (ein Springtanz, der schnell wie ein Clownstanz aussieht, wenn man die Beine nicht streckt), das Menuett und die Sarabande, haben viel Spaß und bald einen ordentlichen Muskelkater.
Die Zeit auf dem Schloss geht bei diesem vollen Programm sehr schnell vorbei. Am Freitagabend verabschieden wir uns mit Tanz- und Musikbeiträgen. Doch ist für viele von uns nach dem Abschied vom Schloss und seiner Umgebung mit Wäldern, Wiesen und Kuhweiden noch nicht Endstation. Sechs von uns werden nach dem erfolgreichen Vortrag für ein Konzert in Frankfurt ausgewählt und so geht es am Samstagvormittag zum beschaulichen Bahnhof Lauchheim. Drei Stunden später steigen wir zwar in der Großstadthitze von Frankfurt aus, finden aber sofort wieder in die „heimelige" Stimmung der Kurswoche, denn das Festival für Alte Musik „Klang im Kloster" findet hinter den Mauern des Karmeliterklosters Frankfurt statt. Außerdem treffen wir vor Ort viele Kursteilnehmer, die mit dem Auto angereist sind. Nicht nur die, die spielen dürfen, sind gekommen, sondern auch viele andere, um zuzuhören. Die Geste zeigt die Anerkennung, die sich alle bei dem Kurs zollen - unabhängig von der Vorbildung. Bei so viel Rückhalt können wir ziemlich entspannt vor einem großen Publikum auftreten.
© ALLEGRADie Kurswoche hat uns viele Impulse gegeben. Unser Dank gilt den engagierten Dozenten, besonders unserem Leiter Matthias Weilenmann, sowie Organisator Thomas Rainer, der stets für Dur-Tonarten im Ablauf sorgte. Nach einer Woche Beschäftigung mit barocker Ornamentik, habe ich sogar die Verzierungen des italienischen „Ferrari-Cembalo" verstehen und lieben gelernt - ich werde es wie so vieles vermissen. (L. Swientek)


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